Eigentlich will ich das alles gar nicht….

…..diese oder sehr ähnliche Aussagen habe ich in den letzten Monaten einige Male im Gespräch mit meinen Mentalcoaching-Klienten gehört, manchmal kamen sie sehr spontan und in einem Moment höchster Anspannung kurz vor einem Wettkampf und manchmal auch erst nach langem Austausch, Nachdenken und Abwägen. Wenn einem Athleten oder einer Athletin solche Gedanken in den Kopf kommen, wird es wohl Zeit, sich mit seinen persönlichen Beweg-Gründen zu beschäftigen und für mich wird es wohl Zeit, das Thema Beweggründe und Motivation für euch etwas näher zu beleuchten und einen neuen Blog zu verfassen…

 

will ich das hier wirklich?

 

Jemand sehr Kluges hat mal zu mir gesagt, dass es das Wörtchen «eigentlich» gar nicht gibt, oder besser: geben sollte. Ganz offensichtlich existiert es aber ja in unserer Sprache und findet sich tatsächlich sehr häufig in unserer alltäglichen Ausdrucksweise wieder. Für was steht «eigentlich» eigentlich 😉 genau? Laut Duden weist es auf eine ursprüngliche, aber schon aufgegebene Absicht hin.

Das erlebt wohl jeder sehr oft im privaten, beruflichen oder sportlichen Alltag: «eigentlich wollte ich noch dieses, jenes, das oder anderes tun, aber das hat dann leider wieder nicht geklappt….»

 

«eigentlich….

..möchte ich gar keine Wettkämpfe» bestreiten. Das war die Aussage. Legen wir die obige Definition an, müssten wir doch annehmen, dass die ursprüngliche Absicht war, keine Wettkämpfe zu bestreiten, es dann aber aus verschiedenen Gründen doch getan wurde?!? Ich finde das sehr spannend!

Nun wendet sich natürlich niemand mit dem Satz «eigentlich möchte ich gar keine Wettkämpfe bestreiten» an mich als  Sport Mental Coach. Es sind vielmehr Anliegen wie Motivationsschwierigkeiten, Unwohlsein, Unzufriedenheit, Zweifel oder blockierende Wettkampfangst. Und zu welchem Zeitpunkt tauchen diese Gedanken und Gefühle auf? Ganz genau…nicht im stillen Kämmerlein, sondern wenn es darauf ankommt, wenn eine besondere Herausforderung kurz bevorsteht oder wenn sich der Wettkampftag nicht so entwickelt wie erhofft. Trotz allerbester Vorbereitung macht im entscheidenden Moment «der Kopf einfach zu». Der Weg zum Erfolg scheint versperrt und nur mit allergrößter Mühe überwindbar.

 

wie komme ich da bloss weiter?

Deine Gründe, dich zu bewegen

Weil Motivationsschwierigkeiten meist auf einer Inkongruenz zwischen Motiv und Ziel beruhen, gehört zu meinen Coachings immer eine Klärung der subjektiven Beweg-Gründe und das mache ich stets am Anfang unserer Zusammenarbeit. Denn passen plötzlich Bedürfnis und Verhalten nicht mehr zusammen, führt das zu Stress und Blockaden, Demotivation und Frust.

Die Fragen, mit denen wir uns beschäftigen, sind: warum bewegst du dich? Was ist dein Motiv? Was treibt dich an? Genau diese Fragen verdrängen wir oft gerne in unserem Alltag oder nehmen sie als in Stein gemeißelt und unveränderlich hin.

Doch erkannte nicht schon Heraklit 520 v.Chr.: Alles fliesst? 🙂

Bei länger andauernden Coachings wiederholen wir das also nach einer Weile wieder und schauen, ob sich an irgendeiner Stelle etwas verändert hat.

Die Gründe, warum wir uns irgendwohin bewegen, warum wir aktiv werden, warum wir ein Ziel in Angriff nehmen, beruhen auf inneren Bedürfnissen, und ein solches (oftmals unbewusstes) Bedürfnis ist nach dem Sportpsychologen Sigurd Baumann ein «erlebter Mangelzustand».¹ Diesen Mangelzustand gilt es natürlich zu beheben und das mit viel Energie und Tatendrang – wir sind also voll motiviert bei dem, was wir gerade tun. Dabei steht das am längsten unerfüllte Bedürfnis stets auf der Liste ganz oben.

Man unterscheidet zwischen diesen verschiedenen Bereichen:

1.) das Bedürfnis nach Sicherheit
2.) nach Anerkennung
3.) nach Bewegung und Körpererfahrung
4.) nach Selbstachtung
5.) nach Vertrauen
6.) nach Unabhängigkeit

Darunter packen wir eine große Anzahl von verschiedenen Fragestellungen, die ein klares Bild der Persönlichkeit des Klienten zeichnet. ²Hier mal ein paar Beispiele und vielleicht auch eine kleine Anregung zum selbst Nachdenken:

  • ich mache Sport, um Komplimente von anderen zu bekommen
  • ich mache Sport, um mich mit anderen Sportlern zu messen
  • ich mache Sport, um schlank und sportlich auszusehen
  • ich mache Sport, um auf mich stolz sein zu können
  • ich mache Sport, um mich zu erholen und die Natur zu genießen
  • ich mache Sport um mit anderen gemeinsam zu unternehmen

Undsoweiterunsofort…du bist schon ins Grübeln gekommen? Prima! Dann schau doch mal, ob eins dieser Bedürfnisse auf dich zutrifft und ob dieses vielleicht zur Zeit gerade ganz arg zu kurz kommt….und du deshalb unmotiviert bist.

Allein schon dadurch, dass wir einen Blick VON AUSSEN auf das werfen, was uns bewegt, entdecken wir Neues, Spannendes, bisher vielleicht sogar noch Unbekanntes an uns und gar nicht zu selten sind dies wertvolle Momente der (Selbst-) Erkenntnisse.

 

aus der Straßenläuferin wird eine Trailläuferin

 

Wertvolle Erkenntnisse

Beispiel eins:

Aus einer genussorientierten Mountainbikerin (Bedürfnis: Wohlbefinden, Natur, Erholung, Ruhe) wurde im Lauf der Zeit durch das Training mit einer ambitionierten Radgruppe unbemerkt eine leistungsorientierte Bikerin. Sie kommt zu mir, weil sie im Wettkampf nicht die gleiche Leistung wie im Training abrufen kann, weil sie sich blockiert fühlt. Nach der Klärung der inneren Bedürfnisse kehrt sie zu ihrem ursprünglichen Verhalten zurück: in Ruhe voller Genuss radeln, um sich in der Natur zu erholen.

Beispiel zwei:

Ich selbst bin jahrelang ambitioniert neuen Bestzeiten hinterhergejagt und stelle nun für mich fest, dass sich etwas an meinen Beweggründen gewandelt hat: ich liebe die Bewegung in der Natur in all ihren Formen, aber ich muss mich (aktuell..;-)) nicht mehr messen mit anderen. Dafür möchte ich aber nun andere SportlerInnen dabei unterstützen, ihre innere Landkarte zu betrachten und dann vielleicht neue Wege finden und gehen!

 

Wenn du das Gefühl hast, es wäre auch für dich gut, mal einen Blick auf deinen grundlegenden Bewegungsgmotive zu werfen, dann melde dich doch gerne für ein unverbindliches Erstgespräch bei mir – sehr gerne persönlich, aber natürlich auch per Skype, falls du zu weit weg von Heidelberg wohnst.

 

Zum Weiterlesen: Rückenwind Blogartikel Der Frühling, oder ein Grund, sich zu bewegen

 

In diesem Sinne, genießt die letzten Hochsommertage!

Eure Eva

 

 

1 Sigurd Baumann, «Psychologie im Sport» (2015), S. 150ff

2 Michele Ufer, «Mentaltraining für Läufer» (2016), S. 75ff

 

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