Der Flow – wenn alles wie von selbst läuft…

25 Paar Augen sind auf mich gerichtet und es ist ganz still im Raum. Es ist nicht das erste Mal, dass ich vor SportlerInnen sprechen werde und inzwischen habe ich die Nervosität auch ganz gut im Griff. Einmal tief durchatmen, gerade hinstellen und nach vorne schauen…nur ein kleiner Moment und es geht los. Ist diese erste Hürde erstmal überwunden, läuft es, ja, es fließt….einige Minuten später bin ich völlig versunken im Vortrag und Gespräch mit meinen Teilnehmern und merke kaum, wie die Zeit vergeht. Mein Vortrag zur Stressregulation im Wettkampf auf der Triathlon Convention Europe vergangenes Wochenende läuft einfach gut und ich fühle mich wohl. In der Psychologie spricht man von einem Flow, den man bei vielen Tätigkeiten, und natürlich auch im Sport erleben kann. In meinem neuen Blog «Der Flow- wenn alles wie von selbst läuft….» erfahrt ihr, was das viel beschriebene Phänomen genau ausmacht. Wer ihn einmal erleben durfte, will ihn meist immer und immer wieder haben – aber kann man ihn tatsächlich selbst aktiv herbeiführen?

 

 

Da war ich völlig im Flow…

Völlig Aufgehen in der Ausführung einer Tätigkeit, hochkonzentriert und gleichzeitig entspannt sein – klingt das nicht verlockend? Mihály Csíkszentmihályi, Jahrgang 1934 und emeritierter Psychologieprofessor der Universität Chicago war der erste, der Menschen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit beobachtete und sich über das Empfinden dabei berichten ließ. Vom Chirurgen bis zum Tänzer befragte er sehr viele unterschiedliche Berufsbilder. Sie alle hatten eins gemeinsam: sie beschrieben, wie ihre Gedanken aufhörten auf zu wandern, und wie sie ganz und gar von ihrem Tun absorbiert waren. Was macht also einen echten Flow aus?

 

In den Flow zu kommen, setzt voraus, dass du beherrscht, was du tust….

 

Kriterien für den Flow (Nach dem Sportpsychologen Hans-Dieter Hermann, siehe youtube: «Make them go!»)

  • Du fühlst keinerlei Bedrohung, du fühlst dich sicher, denn du hast alles unter Kontrolle
  • Deine Aufmerksamkeit liegt nicht mehr auf dir selbst, sondern ausschließlich auf deinem Tun
  • du brauchst kein Ziel mehr, keine Belohnung, die Tätigkeit als solche ist erfüllend
  • die Anforderungen der Situation entsprechen genau deinen Fähigkeiten – du fühlst dich weder über- noch unterfordert

Ein Flow Erlebnis ist etwas sehr Individuelles, und von Mensch zu Mensch unterschiedlich ausgeprägt – aber grundsätzlich sind die oben genannten Faktoren immer vorhanden.

 

Loslassen ist eine Kunst 

Hach, wäre das schön, man könnte diesen Zustand immer und immer wieder herbeiführen…aber mit aktiver Anstrengung kommt man leider nicht weiter. Ganz im Gegenteil: das Geheimnis ist das Loslassen.

Loslassen kann ich dann, wenn ich meinem eigenen Können zutiefst vertraue und mir keine Gedanken oder Sorgen darüber machen muss, was alles passieren könnte.

Ich bin also überzeugt von meinen Kompetenzen. Klingt das überheblich? Nein, wer gute bis sehr gute Leistungen im beruflichen und sportlichen Bereich zeigen möchte, muss innerlich davon überzeugt sein, dass er über die dazu nötigen Fähigkeiten verfügt und dass sie zum gewünschten Erfolg führen werden! Denken wir weiter: wie komme ich am besten zu dieser schönen Überzeugung?

 

Der Weg zum Flow

Wer von seinen Kompetenzen überzeugt sein möchte, muss sich diese natürlich erstmal aneignen…und das bedeutet viel Arbeit und Geduld. Für mich mit meinem Vortrag heißt das, dass ich immer und immer wieder vor Menschen  spreche. Dabei feile ich stets an meiner Technik: wo schaue ich hin, wie atme ich, wie stehe ich da, was mache ich mit meinen Händen, wie schnell oder langsam, laut oder leise spreche ich. Diese wende ich dann in unterschiedlichen Situationen an: ich beginne vielleicht mit einem kleinen Kreis vertrauter Menschen und steigere mich dann sowohl in der Anzahl der Teilnehmer, als auch deren zunehmende Fachkundigkeit. Ich bewege mich also immer vom Leichten zum Schweren.

Und im Sport? Klar, Schwimmen, Radfahren und Laufen kann jeder. Aber beherrscht du auch die Technik? Lerne sie von Grund auf und fange «klein»an. Suche dir einen Trainer oder Lehrer, der dir genau zeigt, wie sie funktioniert – dann steigere dich langsam im Schwierigkeitsgrad. Zu viel zu früh wollen, ist zwar nachvollziehbar, kann aber auch zu nachhaltigen Frusterlebnissen führen. Dazu ein Praxisbeispiel aus meinen Radcoachings: wer gerade mal ein Jahr Rennrad fährt, verfügt meist noch nicht über die verlässliche Kompetenz auf regennasser Strasse eine steile Abfahrt zu bewältigen.

Schritt für Schritt der Kompetenz entgegen…..

 

Auch unser Gehirn belohnt unser fleissiges Streben: jedes Mal, wenn ich ein «Problem» mit meinen eigenen Mitteln erfolgreich gelöst habe, wird Dopamin ausgeschüttet – und dieses Hormon stabilisiert die neu geknüpfte Synapsenverbindung. Zukünftig wird nun tatsächlich bevorzugt auf sie zurückgegriffen...ich mache gelingende Erfahrungen und fühle mich erfolgreich. Und je erfolgreicher ich bin, umso mehr steigt auch meine Widerstandsfähigkeit, wenn es mal nicht so läuft wie gewünscht.

In den Flow zu kommen, Leichtigkeit zu spüren und zugleich sehr konzentriert zu sein, setzt also nicht nur den Erwerb von Fähigkeiten voraus, sondern auch die innere Gewissheit, diese in jeder Situation anwenden zu können – denn kann ich loslassen, «es» einfach passieren lassen.

Dazu passt wunderbar der Satz von  Andreas Wellinger, unserem Gold-Skispringer: Irgendwann kommt man dahin, dass man nicht mehr viel nachdenken muss, weil man weiß, dass es funktioniert.“

 

Auch das Finden und Herbeiführen des «idealen Leistungszustands» – also dem der Anforderung optimal angepassten Aktivierungsgrad begünstigt das Gefühl von Sicherheit…mehr dazu könnt ihr in meinem letzten Blog lesen.

Über die Kunst des Visualisierens und der positiven Selbstgespräche werde ich in den nächsten Blogs schreiben, Stay tuned! 🙂

In diesem Sinne wünsche ich euch ganz viele wunderbare Flow-Erlebnisse – und wer gerne noch an seiner perfekten Technik feilen und dabei seine störenden Gedanken in den Griff bekommen möchte, kann dies gerne in einem Rückenwind Seminar tun: Freiwasser, stressfrei bergab! oder die Kunst des Laufens von runningwolf.de.

Am Schluss möchte ich euch gerne noch ganz herzlich zu meinem Workshop «Kopf hoch im Wettkampf!» am 25.März in Heidelberg einladen – hier lernst du, wie du ganz praktisch und effizient mit störenden Emotionen im Wettkampf (oder Training, oder Alltag…) umgehen kannst. HIER gibt es die Infos dazu!

Let´s give the new season a good start….

 

 

 

Viele liebe Grüße,

Eure Eva

 

 

 

 

 

 

Voller Energie – wie du deinen idealen Leistungszustand findest!

Kannst du dir vorstellen, bei Minusgraden – nur mit einer Badehose bekleidet –  in ein Gewässer zu steigen, dessen Temperatur nahe dem Gefrierpunkt liegt? Diese Zeremonie vollziehen alljährlich die Anhänger des inzwischen verstorbenen Gründer der International Society of KI,  Koichi Toihei. Er ging jeweils an den ersten drei Tagen eines neuen Jahres an einen Fluss, um dort für einige Minuten still im Wasser auszuharren. Dies sollte die negativen Gedanken und Erlebnisse des vergangenen Jahres wegwaschen und Platz schaffen für neue, positive Energie. Für manch einen von uns Triathleten mag das ja ein Muss sein, weil für den Norseman trainiert werden muss und man sich daran gewöhnen möchte. Aber freiwillig? Nicht wirklich. Dennoch wünscht man sich doch in diesen langen, grauen und wintermüden Tagen manchmal auch so ein kräftigendes Ritual, um wieder neue Energie zu tanken, um sich stark zu fühlen und den Herausforderungen des Alltags besser begegnen zu können. Und sich dabei auch noch von allen störenden Gedanken und Gefühlen befreien! Die differenzierte Betrachtung des eigenen Energiezustandes ist nicht nur interessant, sondern auch ein wichtiger Baustein für den Aufbau der mentalen Stärke. In meinem Blog «Voller Energie – wie du deinen idealen Leistungszustand findest!» zeige ich Euch deshalb heute, wie ein optimaler Energiezustand für Training und Wettkampf aussehen könnte – gebe einen Ausblick darauf, wie wir ihn aktiv herbeiführen können, um mit Freude eine bestmögliche Leistung abzuliefern.

 

 

 

Die vier Energiefelder

Der amerikanische Sportpsychologie Dr James E. Loehr stellt in seinem Buch «Persönliche Bestform durch Mentaltraining für Sport, Beruf und Ausbildung» (1988) ein Modell mit vier Feldern vor. Betrachtet man die möglichen Abstufungen von Energie, findet man zwei Richtungen: von positiver zu negativer Qualität, und von hoher zu niedriger Intensität.

 

Der Ideale Leistungszustand – aufgeteilt in vier Felder nach Loehr

 

Die Leistungsfähigkeit nimmt von Feld A (sehr gute Leistungen) bis hin zu Feld D (sehr schlechte Leistungen) ab.

 

 

 

 

 

Sehr gute bis exzellente sportliche Leistungen sind immer geprägt von einer sehr hohen und positiven Energie (=Feld A): Zielstrebigkeit, Tatkraft, Bestimmtheit und Selbstvertrauen charakterisieren diesen Zustand. Hinzu kommt eine Freude und Begeisterung für das, was ich gerade tue – ich bin voll da, im Hier und Jetzt – hochkonzentriert und energiegeladen.

Sinkt die Energieintensität ab, bewege ich mich immer noch im Bereich der positiven Energie (=Feld C), fühle ich mich aber eher matt und müde, habe deutlich an Konzentrationsfähigkeit verloren, lasse mich leicht ablenken. Auch ist die Willenskraft nicht mehr ganz so ausgeprägt.

Interessant ist, dass dazwischen Feld B mit seiner sehr hohen negativen Energie (=Feld B) immer noch bessere Leistungen ermöglicht als Feld C: «mit viel Wut im Bauch habe ich wie verrückt in die Pedale getreten und mich wieder an meinen Gegner herangearbeitet..»- ein häufig zu lesender Satz in Wettkampfberichten.

Dem gegenüber steht eine sehr niedrige und negative Energie (=Feld D): wer sich gelangweilt und desinteressiert fühlt, wird kaum je die erhoffte Leistung zeigen können.

 

Richte den Blick auf dich selbst

Wie kann ich nun für mich persönlich feststellen, in welchem der vier Felder ich mich zur Zeit gerade befinde? Emotionen sind oft eine Gemengelage aus vielen verschiedenen (und auch widersprüchlichen) Empfindungen und Stimmungen, so dass eine Einordnung nicht ganz leicht ist. Deshalb orientieren wir uns lieber an dem, was wir gut benennen können. Ein erster Hinweis ist immer die Atmung: atmest du gerade tief und bewusst in den Bauch oder eher flach und gepresst? Auch die Körperhaltung spielt eine wichtige Rolle: sitzt du in diesem Moment aufrecht mit geradem Rücken und entspannten Schultern? Und haben deine Füße beide Bodenkontakt? Jetzt steh einmal auf, stell einen Fuß auf einen Stuhl und greife von unten in deine Oberschenkelmuskulatur: fühlt sie sich entspannt an oder sehr fest? Mit diesen Parametern kannst du leicht feststellen, ob du dich gerade in einem positiven oder eher negativen Energiefeld bewegst.

Um den Energiepegel zu bestimmen, lenke deine Aufmerksamkeit auf deine Gedanken: wie sehr willst du das tun, was du gerade tust? Im Alltag, im Beruf, im Sport? Wandern deine Gedanken eher in Richtung «ja, ich will schon, aber sooooo sehr nun wieder auch nicht» oder gar «ich würde lieber alles andere tun, als das jetzt» – bewegst du dich in einem sehr niedrigen Energiefeld. «Ich kann es!» oder «Ich will es!» ist Ausdruck hoher Energie, ebenso wie ein «Ich will es wirklich, aber ich bin nicht gut genug».

 

Zettel und Stift

Meinen Coachees gebe ich an dieser Stelle die Aufgabe mit, sich über einen längeren Zeitraum hinweg mit ihrem aktuellen Leistungszustand in Training und Wettkampf zu beschäftigen. Erst daraus entwickelt sich eine bestimmte Tendenz, eine Grundenergie – einmalige Betrachtungen zu einem bestimmten Zeitpunkt könnten zu sehr von der aktuellen Tagesform bestimmt sein.

 

Notiere deine Gedanken – das schafft Klarheit

 

 

 

Der ideale Leistungszustand

Wie kann ich als Athletin oder Athlet also positive Energie tanken und sie auf einem hohen Niveau halten? Vorbilder anzuschauen oder sich gedanklich immer wieder mit der Ausübung seines eigenen Sports zu beschäftigen hilft einem zunächst, zu bestimmen, welche sportartspezifischen Eigenschaften ich benötige, um gut zu sein, wenn es darauf ankommt. Unsere Energie auf der positiven Seite zu halten, erfordert viel Übung, lauern doch an allen Ecken und Enden Energiefresser (Stress, Ängste, Sorgen, Frust, Ärger).

 

Hier stelle ich euch 5 Wege zum Erhalt einer hohen positiven Energie vor:

  • Du ertappst dich ständig bei negativen Gedanken? STOP! Denke das Stop deutlich und klar oder sprich es laut aus. Ersetze nun die sorgenvollen Gedanken durch das, was als nächstes zu tun ist, so dass Kopf und Körper wissen, was zu tun ist.
  • Umgang mit negativen Emotionen: lerne, bewusst und tief zu atmen und deine Muskulatur zu entspannen.
  • Nimm aktiv eine selbstbewusste Körperhaltung ein – sie beeinflusst deine Gedanken und Gefühle positiv!
  • Trainiere deinen Fokus: bleibe bei allem, was du tust, im Hier und Jetzt. Ob du gerade isst, Auto fährst, kochst oder trainierst.
  • Übe eine freundliche und konstruktive Sprache mit dir selbst – und belohne dich für deine Erfolge!

 

Triathlon ist so herrlich bunt….und voller positiver Energie!

 

Bist du an der Ausarbeitung deines individuellen «Idealen Leistungszustandes» interessiert? Dann freue ich mich auf eine Nachricht von dir!

 

 

Nichtsdestotrotz hoffen wir natürlich auf bald mal wieder ein paar warme, freundliche Tage mit Sonnenschein – die ersten Schneeglöckchen habe ich in meinem Garten schon entdeckt!

Sportliche Grüße, Eure Eva

 

 

Quellen: Dr. James E. Loehr, Persönliche Bestform durch Mentaltraining für Sport, Beruf und Ausbildung, 1988
Sigurd Baumann, Psychologie im Sport, 2015

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