Neulich,
da war ich im schönen Heilbronn – meine erste Mitteldistanz in diesem Jahr stand auf dem Programm! Es war sogar die deutsche Meisterschaft, also stand ich ziemlich gut vorbereitet an der Startlinie. Dieses Mal hatte ich jedoch Begleitung: ein klitzekleines Stimmchen im Hinterkopf, welches beständig mir zuflüsterte: «ich bins, deine entzündete Kniekehle, ich wollte dir nur sagen, dass ich das hier nicht ganz so mag und dass ich mich melden werde, wenn es mir zu viel wird…..» – ein Riesenschwung Adrenalin hat das Stimmchen zunächst zum Schweigen gebracht. Aufgrund von Hochwasser, der Neckar war wirklich eine braune Dreckbrühe, wurde ein Duathlon veranstaltet, zu dem Halbmarathon kam also noch ein schneller 5km Auftaktlauf hinzu….das machte dann 27 Laufkilometer für den Tag…..
Dennoch startete ich frohgemut und natürlich etwas zu flott in den 5km Lauf. Die Kniekehle hielt sich zurück. Sie hielt sich auch noch auf den ersten 50km auf den Rad zurück, ab dann wurde es ihr doch zu bunt…das nun schon seit Wochen bekannte Ziehen setzte ein. Es ist diese Art von Schmerz, von der man ganz genau weiß, dass er nicht mehr vergeht, sondern dass er bleibt. Und schlimmer wird. Und noch schlimmer.
In der Wechselzone wäre wohl noch die Gelegenheit gewesen, um vernünftig zu sein. Aber ein DNF wollte ich partout nicht haben, also weiter. Und tatsächlich, Frau Kniekehle zeigt sich überrascht von meiner Unnachgiebigkeit und hält stille. Ich wiege mich in Sicherheit und laufe die ersten beiden Runden. Zu Beginn der dritten Runde scheint ihre Geduld jedoch endgültig erschöpft und sie gibt den Befehl zum sofortigen Stillstand, was ihr auch hervorragend gelingt…von einem Moment auf den nächsten macht die gesamte Rückseite des Beines zu. Einfach so. Alle Versuche, das irgendwie zu ignorieren, auszuschütteln oder durch verlangsamen zu beschönigen, verlaufen im Nichts. Es läßt sich im wahrsten Sinn des Wortes nicht mehr bewegen. Und das 4km vor dem Ziel. Eine neue Erfahrung rauscht unmittelbar und unerwartet heran: ich geh-humple ins Ziel, am Rand des Weges. Wie oft habe ich diese armen Gestalten mit schmerzverzerrten Gesichtern schon gesehen, wie leid sie mir immer taten und nun passiert mit das Gleiche. Aus dem Podiumsplatz wird nichts, denn nun flitzen sie an mir vorbei, die Damen aus meiner Altersklasse…blitzschnell muss ich mich sortieren, ein neues Ziel formulieren. Ankommen lautet es. Irgendwie. Auf dem roten Teppich im Zielbereich beiße ich nochmal die Zähne für ein Zielfoto zusammen, aber das wars dann.
Ein paar Tage später weiß ich, dass es nun eine Verletzungspause geben wird, eine längere Lauf- und Radpause. Als sich das Hadern und die Ursachenforschung sowie die mögliche Behandlung geklärt hat, wird eine Neuorientierung nötig. Im Sessel sitzen und jammern tut nicht gut. Dabei hat sich jedoch völlig unerwartet etwas Neues für mich aufgetan, etwas, wofür nun plötzlich Raum und Zeit war. In diesen Wochen ist bei mir diese neue Homepage hier entstanden, mit all ihren Konzepten dahinter. Ich bin sehr stolz auf sie und freue mich auf eine neue, spannende Zeit! Jeder kleine Schritt vorwärts bei der Erstellung meines Projekts löst genau die gleiche Zufriedenheit aus wie eine gelungene Trainingseinheit.
Lauter UN-WORTE! Verletzungen im Sport mit all den begleitenden Gefühlen von Unsicherheit, Ungewissheit und Ungeduld ist eine neue, un-bekannte Situation für unser Gehirn….es macht sich also auf die Suche nach einem Aktionsplan, wie es mit der neuen (Stress-) Situation fertig werden könnte. Unsere bisherigen Lernerfahrungen sagen uns: «aua,Jammer, wie gehts weiter, wie lange dauert das, Frust…..» – also werden diese Emotionen aktiviert. Wir können jedoch auch versuchen, die Aufmerksamkeit auf etwas zu lenken, was wir kennen, was uns vertraut ist und was wir bewältigen können. Um einen neuen, guten Aktionsplan zu erstellen!
Sehr schön und spannend beschrieben bei: Prof. Dr. Gerald Hüther, «Lernen mit Begeisterung»
Also, nicht verzagen, wenn Euch Verletzungen von Euren aktuellen Zielen abbringen – es gibt genug anderes zu tun! Zum Beispiel lernen, wie man mit Verletzungen umgehen kann ;-)….oder etwas für die Kraft und Stabilität tun, an der Technik feilen, die mentalen Kräfte für den nächsten Wettkampf stärken oder einfach mal etwas außerhalb des Sports erleben.
Bleibt gesund und genießt den Sommer!
Eure Eva